Indikationen der Ganzkörperkältetherapie in der Kältekammer für Mediziner
Bei der Infantilen Zerebralparese (Kindliche Hirnlähmung) handelt es sich um eine chronische Haltungs- und Bewegungsstörung in Folge einer Schädigung des Zentralen Nervensystems, die vor, während oder unmittelbar nach der Geburt eingetreten ist. Lokalisation und Ausprägung der Lähmungen können unterschiedlich sein. Im Ergebnis der zentralen Schädigung kommt es zu einer Innervationsstörung der Skelettmuskulatur (erhöhte γ-Motoneuronenaktivität). Die Folge ist eine permanent verstärkte Spannung (Spastik) in bestimmten Muskelgruppen, wodurch die sonst feine Abstimmung zwischen gleich- und gegensinnig arbeitenden Muskeln nicht mehr möglich ist und krankhafte Bewegungsmuster ausgebildet werden.
Die Kältebehandlung spastischer Muskeltonuserhöhungen ist nicht neu. Sie stützt sich auf ,,das reziproke Verhalten der α- und γ-Motoneuronen-aktivität auf Kältereize“ (59), wie es schon im Abschnitt 3.4 des Buches – Skelettmuskulatur und Kältewirkung – dargelegt wurde (Absenken der Aktivität der γ-Motoneuronen, Aktivierung von α-Motoneuronen; Unterdrückung von Reflexbewegungen im Rückenmark). Über diesen Wirkungsmechanismus kann der Muskeltonus gesenkt, bzw. ausgeglichen werden.
Die Ganzkörperkälte wird sowohl bei spastischen Kindern als auch im Erwachsenenalter eingesetzt und sollte wegen ihrer äußerst patientenfreundlichen Anwendungsform die noch gelegentlich üblichen Kaltwasserbäder vor den gymnastischen Übungen bald vollständig verdrängt haben.
Der bis zu dreiminütige Aufenthalt in der Kältekammer etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Bewegungstherapie führt zu einer mäßigen Lockerung der spastischen Muskulatur und somit zu besseren Voraussetzungen für die anschließende aktive Therapiekomponente. Ein enges Zusammenwirken zwischen dem Kälte- und dem Bewegungstherapeuten ist unumgänglich, um die optimale Kältedosierung herauszufinden, damit eventuell im Therapieverlauf durch eine Überdosierung entstehende gegenläufige muskuläre Dysbalancen rechtzeitig ausgeglichen werden können. Die Therapieergebnisse sollten deshalb auch nach einer standardisierten Methode beurteilt werden.
Im Einzelnen können folgende Therapieergebnisse erreicht werden, wenn die Ganzkörperkältetherapie in sinnvoller Wiese mit den bei spastischen Lähmungen eingesetzten Behandlungsmethoden verbunden wird: Bei etwa 70% kältetherapeutisch (−110 °C) behandelter Kinder und Erwachsener treten Verhaltensverbesserungen ein, die mehrere Wochen vorhalten können. Die Spastik wird vermindert und die spontane motorische Aktivität nimmt zu. Die Betroffenen werden kontaktfreudiger, ihre Stimmungslage wird angehoben. Sie zeigen eine verbesserte Übungsakzeptanz. Ihr Schlafverhalten ist gebessert. Bei etwa 10% der Betroffenen bleibt das Verhalten unverändert. Als negative Erscheinungen wurden eine vermehrte Reizbarkeit und Einschlafstörungen beobachtet (59).
Für hilfreiche weiterführende Informationen zur Ganzkörperkältetherapie bei −110 °C und den Wirkungsmechanismen empfehlen wir das Buch "Die Kraft aus der Kälte" von Prof. Dr. sc. med. Winfried Papenfuß, erschienen bei der Edition K, Wolfsegg. Daraus wurden auch weite Teile des Inhalts dieses Internetauftritts entnommen.
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